In der vierten Folge von Entlang des Kanals spreche ich mit Amelie Schlemmer und Anna Zettl vom Schwimmverein Donaukanal über die Entstehung, Zweck und Veranstaltungen des Vereins, darüber was es mit jemandem macht im Kanal zu schwimmen und natürlich auch über die reiche Geschichte des Schwimmens im Donaukanal.


Die Folge zum Hören:

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Der großteil des Inhalts der Folge und zusätzliche Information in schriftlicher Form sowie Links zum Vertiefen:

Der Schwimmverein

Der Schwimmverein Donaukanal wurde 2020 von Social Design Student:innen in Wien gegründet. Im Social Design geht es unter anderem um die Frage, was Kunst/Design für Impulse in sozialen Themen/Herausforderungen setzen kann. Einen Schritt zurückzugehen, beobachten was der normale Ablauf der Dinge ist und schauen, wo man etwas Neues gestalten oder einen neuen Impuls geben kann. So war es auch beim Donaukanal. Begonnen hat es also mit der Frage: Warum schwimmt denn da eigentlich niemand?

Welchen Nutzern wird hier am meisten Platz eingeräumt? Momentan sind das hauptsächlich die touristisch genutzten Ausflusgboote. Das ist grundsätzlich ok, aber schränkt im Moment die Nutzung für eine gesamte Gruppe von SchwimmerInnen ein. Das muss neu verhandelt werden. Der Schwimmverein Donaukanal ist der Ansicht, dass der Donaukanalein als öffentlicher Raum auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.

Dazu soll der Aufbau einer sichtbaren Schwimmkultur beitragen. Wenn Komponenten wie Vereinsname, gemeinsames Schwimmen, Merch, Sichtbarkeit im öffentlichen Raum kombiniert werden, wird der Donaukanal auf Dauer auch bei mehr Leuten als ein Ort an dem man schwimmen kann wahrgenommen werden. Es geht also um Sichtbarkeit, Niederschwelligkeit, aber auch Community Aspekte sowie ökologische und politische Komponenten.

Neben zahlreichen verschiedenen Veranstaltungen[^1] organisiert der Verein in recht regelmäßigen Abständen sogenannte “Offene Stammfische”. Hierbei handelt es sich um Treffen für Interessierte die nicht Vereinsmitglieder sein müssen. Es wird geplaudert, erklärt wie alles funktioniert und worauf man achten sollte. Wer möchte kann dann auch mit einer Gruppe von Leuten gleich vor Ort mit ins Wasser steigen. Bei so einem Treffen hat zum Beispiel Anna Zettl auch Amelie Schlemmer kennengelernt.

Die Strömung des Donaukanals beträgt ca. 4 bis 5 km/h und auch Sommer ist die Temperatur immer recht kühl. Durch das Treiben lassen im Donaukanal bekommt man einen ganz anderen Blick auf die Stadt und die Sehenswürdigkeiten.

Amelie Schlemmer beschreibt den Donaukanal gern als Nerv, in den man reinsticht, wenn man darin schwimmt: Man bekommt neugierige Kommentare, sorgende Kommentare, manchmal Negatives. Leute die filmen, fragen was da gemacht wird. Zu sehen, dass jemand im Kanal schwimmt, hat den Effekt des Ungewohnten und macht was mit den Menschen.


Legalität und Sicherheitsaspekt

Das Schwimmen im Donaukanal ist per se nicht verboten. Bestimmte Einschränkungen gibt es aber: Im Abstand von 100 Metern zu Schiffsanlagestellen oder großen Objekten, wie zum Beispiel Schleusen, ist das Schwimmen untersagt.

Um sicher im Donaukanal zu schwimmen, sollte man die Schiffsfahrpläne checken. Es gibt auch Apps, in denen man in Echtzeit schauen kann, wo gerade große Boote unterwegs sind. Was nicht möglich ist, ist leider private Leute mit ihren Booten zu orten - hier ist besondere Vorsicht geboten.

Empfohlen wird die Verwendung eines Schwimmsackes oder einer Boje, da dies anderen Leuten die Freiwilligkeit der schwimmenden Person signalisiert und natürlich auch aus Sicherheitsgründen. Wichtig ist bei Bojen, dass man sie nicht am Körper festschnallt. Anders als in Seen kann es im Kanal nämlich passieren, dass man mit der Boje irgendwo hängen bleibt und sich durch die Fließgeschwindigkeit ein Abwärtssog bildet.

Als Einsteigsstelle eigenen sich vor allem die Stiegeneinbuchtungen mit kleinem Vorsprung knapp unter oder über der Wasseroberfläche. Anna Zettl erklärt, dass diese früher zum Abstoßen der Zillen[^2] im Donaukanal gebaut wurden.

Der Donaukanal ist keilförmig, daher gilt es zu beachten dass die Strömung in der Mitte um einiges stärker ist als am Rand.

Sportzille am Donaukanal Bild: sportliche Zille am Donaukanal, um 1925, Autor: Rübelt Lothar / www.bilarchivaustria.at


Wasserqualität

Seit den frühen 2000er Jahren gibt es keine Kanaleinleitungen mehr in den Kanalhauptstrom des Donaukanals. Diebezüglich wurden große Projekte von der Stadt umgesetzt. Bei der Mündung des Wienflusses auf Höhe der Urania wird teilweise noch Mischwasser eingeleitet. Auch dort sind aber große Sanierungsarbeiten im Gange, die die letzten Mischwassereinleitungen beenden sollen. Die Wasserqualität im Donaukanal ist vergleichbar mit die des Hauptstromes der Donau, wenn aber natürlich oder Unwetter ihr Unwesen treiben, kann dies mal anders ausschauen - dann sollte man vor dem nächsten Schwumm eventuell ein paar Tage abwarten. Auf Hochwassermeldungen aus der Donau ist natürlich auch aufzupassen.

Aufgrund der hohen Durchflussmengen von linkem- und rechtem Hauptsammelkanal, die einen Aufstau im Netz nicht zuließen, musste das Schmutzwasser bei Kanalräumungsarbeiten in den beiden Sammlern früher in den Donaukanal abgeleitet werden. Durch die geringere Verdünnung belastete das die Wasserqualität weitaus mehr als die Regenwasserausleitungen bei einer niederschlagsbedingten Überlastung des Kanalsystems

Zwischen 1999 und 2003 wurden daher drei Druckleitungen unterhalb der Friedens-, der Schweden- und der Franzensbrücke verlegt, die als Verbindungsleitungen zwischen Rechtem und Linkem Hauptsammelkanal dienen. So kann bei Reinigungsarbeiten das Schmutzwasser auf den jeweils anderen Sammler umgeleitet werden. So sind seit 2003 keine Betriebsausleitungen mehr nötig.

Quelle: geschichtewiki der stadt wien[^4]

Druckleitung Friedensbrücke Bild: Druckleitung Friedensbrücke Autor: DYN.herr karl / CC BY-NC-ND 4.0

Laut EU Badegewässerverordnung[^3] gibt es in Österreich die Pflicht an den Staat, dass der Bevölkerung Badegewässe zur Verfügung gestellt werden. Der Freigabe als Badegewässer geht ein 4 jähriger Prozess, in dem Wasserqualität gemonitort werden muss, voraus. Badegewässer brauchen dabei mindestens die Qualitätsstufe 3, zum Vergleich, Trinkwasser bedeutet Qualitätsstufe 1. Wenn etwas als Badeort klassifizier ist, muss die Wasserqualität also verpflichtend regelmäßig gemessen werden. Der Donaukanal ist keine offiziell klassifizierte Badestelle. Man kann sich aber, da man weiß welche Einleitungen es gibt, daran orientieren. Es gibt seitens des Schwimmverein Donaukanal Zusammenarbeiten mit größeren Institutionen um den Donaukanal in einen Klassifizierungsprozess zu bekommen. Naturgemäß gibt es hier natürlich allerdings auch Gegenspieler:innen, denen das nicht so recht ist.


Alte Tradition

Bis in die Zwischenkriegszeit, auch noch im zweiten Weltkrieg, sind Leute im Kanal geschwommen. Immer wieder kommen die Mitglieder des Schwimmvereins mit Zeitzeug:innen in Kontakt, die sich noch an viele Anekdoten aus der damaligen Zeit erinnern.

Zum zweiten mal wird vom Schwimmverein Donaukanal dieses Jahr eine Schwimmparade organisiert - am 30. August 2025. 250 Personen können sich anmelden um gemeinsam zu Schwimmen. Es handelt sich um ein offizielles Event in Zusammenarbeit mit Ministerium, Schifffahrtsrettung und Schifffahrtspolizei.

Als Vorbild für die Schwimmparade gilt die historische Veranstaltung „Quer durch Wien“, die von 1912 bis 1938 am Donaukanal und teils auch in der Wachau stattgefunden hat. 1914 fand mit “Quer durch Berlin” und 1919 in Graz[^5] jeweils ein Ableger nach Wiener Vorbild statt. Auf historischen Aufnahmen sieht man die Menschenmassen die die Veranstaltung angezogen hat - teilweise bis zu 250.000 Besucher. Mit den Jahren kam es dann aber immer mehr zu Besucherschwund, einerseits durch den immer größer werdenden Fußballsport als Konkurrenzveranstaltung, aber vor allem auch durch den zunehmenden Antisemitismus[^6] in der Zeit des Nationalsozialismus und auch schon davor. Die Veranstaltung, die zu einem großen Teil vor allem auch von jüdischen Sportvereinen mitgetragen und organisiert wurde, wurde 1938 eingestellt. Peter Payer hat dazu vor 10 Jahren einen lesenswerten Artikel in der Wiener Zeitung veröffentlicht.[^7]

Schwimmgruppe am Kanal Bild: Startfeld der Juniorinnen und Zuschauer:innen von Quer durch Wien im Juli 1913; Autor: C. Seebald / gemeinfrei

Ab 1903 gab es am Donaukanal auch sogenannte Strombäder. Dabei handelte es sich um öffentlich zugängliche Schwimmbäder, die in den Kanal gebaut wurden. Diese in der Mitte nach unten hin offenen Schiffe waren an den Seiten mit Gittern gegen das Abtreiben durch die Strömung geschützt und boten so eine sichere Möglichkeit im Kanal zu schwimmen. Die neuen Sommerbäder an der Alten Donau lösten allerdings das Baden im viel kälteren Kanal ab und so verschwanden die Strombäder am Donaukanal nach und nach.

Strombad am Kanal Bild: Städtisches Strom-, Sonnen- und Luftbad an der Schwedenbrücke; Autor: Rübelt Lothar / www.bildarchivaustria.at


Politik und Partnerschaften

Im Gespräch kommt auch die Idee der 15 Minuten Stadt vor. Was habe ich in meiner direkten Umgebung und wie kann das ein Mehrwert für meinen Alltag, für meine Lebensqualität sein? Seit Ende der 90er Jahre findet eine Wiederaktivierung des Donaukanals als Freizeitort statt - Schwimmen als Erweiterung habe darin auf jeden Fall einen Platz verdient. Es geht auch um Klimathemen: Orte zum Abkühlen in der Stadt sind rar, werden durch die immer wärmeren Sommer aber immer wichtiger.

In Rotterdam fand gerade der erste Swimmable Cities Summit[^8] statt. Ein Projekt, an dessen Entstehung auch der Schwimmverein Donaukanal mitgewirkt hat. Amelie Schlemmer berichtet über das Erleben von Verbundenheit und Solidarität, wenn man merkt dass Unwetter im Westen einen direkten Einfluss auf die Temperatur des Kanals haben oder wenn man mit dem Partnerverein in Budapest spricht, die einige Tage später im gleichen Wasser wie die Schwimmer:innen in Wien baden. Wie kann diese Solidarität und dieses Thema auf der politische Agenda aussehen - auf europäischer Ebene, aber auch weltweit. Oft werden ähnliche Schwierigkeiten sichtbar. Ein besonders schönes Bild als Politisches Argument wird genannt: Ein Schwimmer oder eine Schwimmerin als Symbol für eine gesunde Stadt. Gute Wasserqualität, wie der Raum genutzt wird, ein Symbol an Hand dessen man sehr gut abmessen kann wie die Lebens- und Beziehungsqualität in einer Stadt aussieht. Die große Frage um die es geht: Wie kann man auf politischer Ebene nächste, größere Schritte erzielen, dass Schwimmen in Städten eine Normalität für ganz viele Menschen werden kann?


Kooperationen

Der Schwimmverein Donaukanal hat viele Kooperationen und sucht diese auch aktiv. Mit Gemeinschaftsgärten, Lokalen mit denen gemeinsame Projekte durchgeführt wurden, mit den Fischern, mit dem Jugendzentrum Juvivo, mit verschiedenen Wiener Universitäten, mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Akteur:innen in diesem Raum. “Vernetzung macht immer Spaß”. Der Alsergarten und der Sophiegarten dürfen wohl als die Hauptkooperationspartner bezeichnet werden. Dort stehen auch Schwimmstrukturen wie zum Beispiel Schließfächer, die Mitglieder nutzen können, es gibt immer wieder Treffen und Veranstaltungen dort.


Mitmachen

Der Schwimmverein Donaukanal organisiert verschiedenste Veranstaltungen, oft auf offen für Nichtmitglieder und natürlich auch Leute die nicht unbedingt schwimmen wollen sondern nur interessiert sind. Das aktuelles Programm findet man auf der Webseite oder über den sehr empfehlenswerten Newsletter des Schwimmverein Donaukanals.

www.schwimmvereindonaukanal.org


Quellen