Zu Gast in dieser Folge von Entlang des Kanals ist Mag. Marko Iljić, staatlich geprüfter Fremdenführer/Austria Guide. Wir unterhalten uns über den Künstler Friedensreich Hundertwasser und was er mit dem Donaukanal zu tun hatte.

“Ich träumte, über die Meere zu fahren, später tat ich es mit der “Regentag”. Der Donaukanal war mein erstes Meer, ich bin immer wieder hinüber und herüber gefahren. Die Fährfrau war eine Art Seelsorger für die einsamen Passagiere.”

Friedensreich Hundertwasser


Die Folge zum Hören:

Listen on Spotify


Der Inhalt der Folge in schriftlicher Form + Links zum Vertiefen:

Kindheit und Jugend

Der weltberühmte Wiener Künstler Friedensreich Hundertwasser, mit bürgerlichem Namen Friedrich Stowasser 1, hat viel Sichtbares am Donaukanal hinterlassen, wie z. B. die Verhüllung der Müllverbrennungsanlage Spittelau oder das Schiff MS Vindobona.

Friedensreich Hundertwasser verbrachte die ersten 10 Jahre seines Lebens im 15. Wiener Gemeindebezirk, zuerst in der Johnstraße und dann in der Brunhildengasse im Nibelungenviertel, wo seit 2007 auch eine Verkehrsfläche den Namen Friedensreich-Hundertwasser-Platz trägt. 2

Mit 9 Jahren wurden er und seine jüdische Mutter, eine Bankangestellte, im Jahr 1938 in die Obere Donaustraße im 2. Bezirk zwangsübersiedelt.

Seine Mutter, Elsa Stowasser, ließ ihren Sohn - wahrscheinlich schon vorahnend, was sich gesellschaftlich und politisch zusammenbraut - in den 30er Jahren christlich taufen und nahm ihn auch aus der Montessori-Schule, der ein jüdischer Ruf anhaftete. Auch ließ sie ihren Sohn der Hitlerjugend beitreten. Diese „Tarnung“ funktionierte tatsächlich: Friedrich und Elsa waren die einzigen Überlebenden ihrer Verwandtschaft, die allesamt - 70 Personen - von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet wurden. Seinen Vater, einen Bauingenieur, hat Hundertwasser bereits in seinem ersten Lebensjahr verloren.

Gedenktafel an dem Haus Obere Donaustraße 12 Bild: Clemens Mosch / CC BY-SA 4.0

Seine Jugend hat Friedensreich Hundertwasser also am Donaukanal verbracht und war dort vor allem auch von der Rollfähre, die sich ca. auf der Höhe auf der sich heute der Siemens-Nixdorf-Steg befindet, in den Bann gezogen. Diese hat er auch öfters gezeichnet. Schon in seiner Jugend begann er übrigens seine Werke zu nummerieren (auch sein Schiff, die „Regentag“ 3 die man in Tulln bewundern kann, trägt eine Nummer, da es für ihn ein Kunstwerk war).

Jugendwerk Nr. 21 Bild: “Wien, Augartenbrücke”, Jugendwerk Nr. 21, hundertwasser.com

Auch war er selbst ein begeisterter Schwimmer im Donaukanal. Da zur Zeit des Weltkrieges das Wasser im Donaukanal keine gute Qualität hatte, hat er sich dabei allerdings einen Paratyphus eingefangen, den er nur knapp überlebt hat. Wir schweifen kurz ab und reden darüber, dass dann ab den 60er Jahren die Wasserqualität besser war und viele WienerInnen den schönen Badeort an der Donaukanallände genossen haben. Hans Lang hat damals das Lied „A schräge Wies’n am Donaukanal“ über diese Zeit komponiert. Hier ein Link zu einer Vertonung der Musikgruppe „Die Strottern“:

Klicken um das Lied auf YouTube zu hören 4


Der Künstlername

Seine ersten Zeichnungen zu Beginn der 40er Jahre hat Friedensreich Hundertwasser noch mit seinem eigentlichen Namen, Stowasser, signiert. Gegend Ende der 40er Jahre wechselte er dann zu seinem Künstlernamen Friedensreich (von „Fried“ und dem englischen „rich“) Hundertwasser („sto“ ist in den slawischen Sprachen das Wort für „hundert“).

Jugendwerk Nr. 24 Bild: “Mein Haus”, Jugendwerk Nr. 24, hundertwasser.com

Hundertwassers Kommentar zum Werk (Nr. 24)

Zum ersten Mal benutzte ich Aquarellfarben, es waren Pelikan Knopffarben. Nachbarskinder machten sich einen Spaß daraus, an der Türe Sturm zu läuten und uns zu erschrecken. Denn es war die Zeit, in der die SS jüdische Familien “aushob”, um sie im Osten zu ermorden. Wir waren totenstill, bis die Schritte sich entfernten. Zweimal im Abstand von etwa drei Monaten läutete die “SS”, in schwarzen Uniformen mit Totenkopf auf der Mütze, wirklich Sturm. Um vier Uhr früh kamen sie, um die jüdische Tante und die Großmutter mitzunehmen, doch jedesmal konnte ich sie mit dem H.J.(Hitlerjugend)-Abzeichen, den Tapferkeitsmedaillen meines Vaters aus dem Ersten Weltkrieg und dem Eisernen Kreuz meines Onkels, der den “Heldentod” gefunden hatte, abweisen. Das dritte Mal kam jedoch eine Art “jüdischer SS” in Zivil und mit Armbinden, und dagegen nutzten die Medaillen und Abzeichen nichts, zumal die alte Großmutter vermeintlich “schwerkrank” im Bett lag. Die Tante wurde in Auschwitz, die Großmutter in Theresienstadt umgebracht. Nach dem Krieg hat meine Mutter die Verschleppten, Nichtzurückgekehrten ihrer Familie gezählt und bei 78 zu zählen aufgehört. Trotzdem habe ich nicht “traumatisch gelitten”, wie man bei Kriegskindern immer behauptet. Aber meine Mutter machte sich Sorgen. Der Krieg war für mich, im Alter zwischen neun und fünfzehn, wie ein Abenteuerfilm. Ich habe zuerst den Frontverlauf der deutschen Armeen, dann den Vormarsch der Alliierten mit Stecknadeln und bunter Wolle auf einer Landkarte nachvollzogen. Auf meinen Bildern, die während des Kriegs entstanden, ist vom Krieg nichts zu sehen. Meine Mutter schärfte mir täglich ein: Nur ja nicht auffallen!Als sie nach dem Krieg beim Einkaufen immer öfter hören mußte: “Ihr Sohn steht schon wieder in der Zeitung”, traf sie fast der Schlag. (Sie dachte, das würde ein böses Ende nehmen).(aus: Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Bd. 2, Taschen, Köln 2002, S. 79f.)

Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass ein Verwandter oder sogar Hundertwassers Vater, Autor des „kleinen Stowasser“ 5 sei, einem in österreichischen Gymnasien noch heute verwendeten Lateinwörtersbuchs. Dem ist nicht so. 1994 wurde „Der kleine Stowasser“, ursprünglich herausgegeben von Joseph Maria Stowasser, zu seinem 100 jährigen Jubiläum als Sonderedition von Fritz Lošek neu bearbeitet aufgelegt. Für die Einbandgestaltung dieser Ausgabe konnte er Friedensreich Hundertwasser gewinnen.

Jugendwerk Nr. 69 Bild: “Donaukanal mit Überfuhr gegen Friedensbrücke”, Jugendwerk Nr. 69, hundertwasser.com

Hundertwassers Kommentar zum Werk (Nr. 69)

Tagebuch 1945, 9. Mi: 1. Tag im Frieden (In Nacht aber noch Schlachtenlärm der Aufständischen bei Korneuburg gehört.) Um 5h auf. 6 h im Rosenpark “Motiv am Donaukanal” zu malen begonnen. Ich malte sehr starkfarbig und war von meiner Arbeit bald so entzückt, daß ich den Hunger nicht beachtete, sondern bis 10h weltentrückt weiterpinselte. Fast fertig, nach Hause. Mutter hatte mich gesucht und weinte. (aus: Kat. Albertina, Wien 1974, S. 60)“Wenn Ihr Sohn nicht Maler wird, sind Sie schuld”, sagte Prof. Herbert Boeckl zu meiner Mutter. (aus: Kat. Museum Ludwig, Köln 1980, S. 42)Das Aquarell hatte ich vor Einmarsch der Roten Armee begonnen und nachher beendet. Wir hatten die Fenster ausgehängt und flach auf den Boden gelegt, so hatten wir trotz Maschinengewehreinschüssen an den Zimmerwänden die einzigen intakten Fensterscheiben der Umgebung. Als ich aus einem Fenster schaute, waren alle Straßen grün wie frischer Rasen. Auch ein toter russischer Soldat lag in diesem Grün, mit Wiese bedeckt. Es war wie ein stilles Bild des Friedens. Doch das Grün auf der Straße waren die von Maschinengewehren von den Bäumen geschossenen Frühlingsblätter. (aus: Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Bd. 2, Taschen, Köln 2002, S. 97)

Jugendwerk Nr. 55 Bild: “Donaukanal mit Überfuhr, Rossauerkaserne und Stephansturm”, Jugendwerk Nr. 55, hundertwasser.com

Hundertwassers Kommentar zum Werk (Nr. 55)

Ich hatte damals einen kleinen Koffer und trug das Aquarell immer mit mir herum. Ich wollte, wenn ich ausgebombt oder verschleppt werde, mit diesem Bild beweisen, daß ich ein guter Maler bin. (aus: Kat. Albertina, Wien 1974, S. 54)


Die Werke in Wien

Im 3. Bezirk befindet sich das Kunsthaus Wien - es beherbergt die weltweit einzige Dauerausstellung über Friedensreich Hundertwasser. Unweit davon existiert noch eine nicht mehr benutzte, von ihm entworfene Schiffsanlagestelle, die er für das ebenfalls von ihm gestaltete Rundfahrtschiff MS Vindobona gedacht war.

Nur einen Steinwurf davon entfernt steht das wohl bekannteste Hundertwasserwerk von Wien: Das „Hundertwasser Haus“, ein Wiener Gemeindebau. Dass dieses sich am Donaukanal befindet, ist allerdings ein Zufall - die Stadt Wien hat eine passende Fläche gesucht und dort gefunden. Wir unterhalten uns auch kurz über den Rechtsstreit, den der Architekt Josef Krawina nach Hundertwassers Tod in Bewegung gesetzt hat um seine Miturheberschaft am Haus einzuklagen. Seit 2011 muss das Haus eigentlich 6 also den Namen „Hundertwasser Krawina Haus“ tragen. Es folgt ein kleiner Exkurs über andere „Umbenennungen“ in Wien. (Die Bernardnis-Schmid-Kaserne und der Helmut-Zilk-Platz werden als Beispiele erwähnt.)

Fassage Hundertwasser Haus Bild: C.Stadler/Bwag / CC BY-SA 4.0

Ein weiteres sehr bekanntes Gebäude, genauer gesagt eine Verhüllung eines Gebäudes, von Friedensreich Hundertwasser ist die Müllverbrennungsanlage Spittelau im 9. Wiener Gemeindebezirk. Zwischen 1966 und 1971 errichtet versorgte die Fernwärmeanlage vor allem das Allgemeinde Krankenhaus Wien. Am 15. Mai 1987 kam es dann zu einem folgeschweren Brand, bei dem große Teile der Anlage beschädigt wurden. 7

Hundertwasser, der bekennende Umweltschützer, konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen für die Neugestaltung der Anlage gewonnen werden: Dem Einbau von modernsten Filteranlagen, einem Nistplatz für Turmfalken, reichlich Begrünung und man glaubt es kaum: eine WC Anlage für die Müllwagenfahrer, die es damals tatsächlich noch nicht gab. Die Idee dazu ist neben Hundertwasser auch Bernd Lötsch 8 zu verdanken.

Altes Bild der Müllverbrennungsanlage Spittelau Bild: WStLA, Fotos des Presse- und Informationsdienstes, FA1: 70564

Wenn man sich Bilder der Müllverbrennungsanlage Spittelau ansieht, wird man auch eine „Mütze“ auf dem Gebäude finden, die an die klassische Hundertwasser Kopfbedeckung erinnert. Diese wurde hinzugefügt, da Hundertwasser während der Verhandlungen zu dem Projekt anscheinend so oft „Ich hau den Hut drauf“ gesagt haben soll.

Die roten Öffnungen die zu den Nistplätzen der Turmfalken führen, kann man bei guten Wetter knapp unterhalb der großen goldenen Kugel mit freiem Auge erspähen. Die Falken sind heute auch noch immer dort.

Mag. Iljić empfiehlt einen Besuch im Kunsthaus Wien Museum Hundertwasser. Ich wiederum empfehle Ihnen eine der zahlreichen, interessanten Führungen mit Mag. Marko Iljić - [www.iljic.wien] (www.iljic.wien)

Jugendwerk Nr. 17 Bild: “Überfuhr zwischen Augarten- und Brigittabrücke”, Jugendwerk Nr. 17, hundertwasser.com

Hundertwassers Kommentar zum Werk (Nr. 17)

Ein wichtiges Bild für mich: Mein erstes Schiff. Ich träumte, über die Meere zu fahren, später tat ich es mit der “Regentag”. Der Donaukanal war mein erstes Meer, ich bin immer wieder hinüber und herüber gefahren. Die Fährfrau war eine Art Seelsorger für die einsamen Passagiere.(aus: Hundertwasser 1928-2000, Catalogue Raisonné, Bd. 2, Taschen, Köln 2002, S. 76)


Quellen