In dieser Folge durfte ich mit Herrn Dipl. Ing. Dirk Neuburg von der MA 49 (Brückenbau und Grundbau) über das Thema Donaukanalbrücken sprechen. Vielen herzlichen Dank!
Die Folge wurde bereits 2024 aufgenommen.
Die Folge zum Hören:
Der Inhalt der Folge in schriftlicher Form + Links zum Vertiefen:
Älteste Brücken
Foto: Döblinger Steg 2025, Martin Knoflach, gemeinfrei
Zu Beginn der Folge kommt das Thema auf, welche Brücke über den Donaukanal denn die älteste sei. Von den heute noch bestehenden Brücken, gehören auf jeden Fall der Döblinger Steg als auch die Schemerlbrücke zu den ältest gedienten - interessant ist hierbei, dass die Schemerlbrücke beim Nussdorfer Wehr (vielen Leuten bekannt durch die bronzenen „Nussdorfer Löwen“ die auf ihr thronen und zum Markenzeichen des Wiener Automobilherstellers Gräf und Stift1 wurden) nicht in den Zuständigkeitsbereich der MA 49 fällt, sondern in den der Via Donau2. So wie auch der Trepperlweg entlang des Donaukanals.
Foto: Bau des Nussdorfer Wehrs um 1897/98 Albuminpapier Wien Museum, gemeinfrei
Foto: geschlossenes Wehr während des Hochwassers 1899, unbekannter Fotografin, gemeinfrei
Foto: Schemerlbrücke 2025, Martin Knoflach, gemeinfrei
Foto: Nussdorfer Löwe auf einem Gräf und Stift Automobil, © TARS631 , autobusforum.at
Wo genau es die allerersten Brückenkonstruktionen über den Donaukanal gegeben hat, ist heute nicht mehr eindeutig festzustellen. Allerdings dürfte es sich dabei wahrscheinlich um die Gegend beim heutigen Schwedenplatz gehandelt haben.
Die älteste erwähnte Brücke stand in jedem Fall dort: die Schlagbrücke3 („Schlachtpruckh bei dem rothen Turm“). Sie wurde 1364 erstmals urkundlich erwähnt und war über ca. 350 Jahre lang die einzige Verbindung zwischen Wien und der Leopoldstadt. Ihren damaligen Namen bekam die Brücke, da dort die Tiere vom nahegelegenen Markt geschlachtet, „geschlagen“, wurden und direkt ins Wasser ausbluten konnten. Dies wurde später nach einhergehenden hygienischen Problemen flussabwärts untersagt. Sie war eine Jochbrückenkonstruktion4 - eine sehr alte Brückenbauweise. An ihrem Platz steht die heutige Schwedenbrücke, deren Name auf die Schwedenhilfe5 nach dem ersten Weltkrieg zurückzuführen ist.
Jüngste Brücke & Donaukanalfähre
Die jüngste Brücke über den Donaukanal ist der 2022 erbaute Erdberger Steg. Eigentlich wurde dieser erstmalig bereits 2003 als Holzkonstruktion errichtet, bei Renovierungsarbeiten 2021 wurden allerdings Schäden am Holztragwerk entdeckt und daraufhin ein Stahlsteg errichtet. Vor dem Erdberger Steg verkehrte an dieser Stelle die letzte Donaukanalfähre.
Hier ein paar Links dazu:
Fotos der Rollfähre: http://www.fotosderwelt.de/p31002/p3100201.html
Fährmann Sepp Kerschbaumer bei Hermes Phettberg: https://www.youtube.com/watch?v=oVsbMLa0Pgk
Videos der Rollfähre in der Österreichischen Mediathek:
Teil 1: https://www.mediathek.at/atom/054B95CB-25C-000E5-00000630-054AB965
Teil 2: https://www.mediathek.at/atom/1452A9D2-33F-000B8-00000CAC-1451BF48
Artikel im Standard zur (nie stattgefundenen) Übersiedelung der Fähre:
Der letzte Fährmann Wiens übersiedelt6 Holz schlägt Beschaulichkeit7
Stahlaufbauten & Friedensbrücke
Wir sprechen darüber, warum Brücken heute nicht mehr so toll aussehen wie früher, mit den tollen, dekorativen Stahlaufbauten. Diese waren damals sowohl Zierde, als auch statisch notwendig als man von Holz zu Stahlkonstruktionen überging. Heut zutage wird viel in den Brücken versteckt/verbaut, was früher oberirdisch lief. Auch war die Errichtung einer neuen Brücke zu früheren Zeiten noch ein größeres, prunkvolleres Ereignis, als es die heutzutage ist (mein persönlicher Eindruck) - davon zeugt zum Beispiel dieser Zeitungsartikel über die Eröffnung8 des 1926 fertig gestellten Neubaus der Friedensbrücke.
Wandel in der Einstellung zur Brückenzeit
Ein für städtische Brücken immer gegebener Zwang zur niedrigen Bauhöhe führte eisernen Objekte des auslaufenden 19. Jahrhunderts zu Fachwerken über der Fahrbahn, deren utilitaristisch geprägte Erscheinungsform - sie zeichnen sich doch durch ein Höchstmaß an technischer Abstraktion aus - einer Ergänzung durch ein Dekor nach dem Geschmack der Zeit bedurfte, um in der Bevölkerung Akzeptanz zu erlangen. Diese das Umfeld beherrschenden und in ihrem statischen Verhalten für den Laien nur schwer nachvollziehbaren Tragwerke erforderten aber auch portalartige Übergänge zur gebauten Umwelt, die durch ein hohen Maß an baukünstlerischer QUalität die technische Notwendigkeit des Eingriffs erträglich machen sollten.
Quelle: “Brücken in Wien” von Alfred Pauser, siehe Buchtipps am Ende des Artikels
Über diesen Neubau sprechen wir auch kurz, da es recht faszinierend ist, dass Brücken an anderer Stelle gebaut werden und dann erst an ihren eigentlich vorgesehenen Platz „verrückt“ werden - dies war nicht nur damals so, sondern ist auch heute noch eine gängige Vorgehensweise.
Foto: Verschiebung der Brigittabrücke (heutige Friedensbrücke), © Bundesarchiv, Bild 102-00929A / CC-BY-SA 3.0
Die Friedensbrücke erhielt ihren Namen übrigens infolge des Vertrags von Saint-Germain9 - während der NS-Zeit wurde sie allerdings in Brigittenauer Brücke umbenannt, da der Name „Friedensbrücke“ in so einer Ideologie wohl nichts zu suchen hatte. Zum Namen einer heiligen (die Brücke hieß noch früher Brigittabrücke) wollte man auch nicht zurückkehren. Die Friedensbrücke war (meines Wissens nach - bitte gegebenenfalls um Korrektur) die zweite Brücke über den Donaukanal, die nach den Sprengungen der abziehenden deutschen Wehrmacht wieder benutzbar gemacht wurde10.
Foto: Ansicht Brigitta-Brücke um 1900, C. Ledermann jun., Ansichtskarte, Wien Museum Inv. Nr. 235061, gemeinfrei
Nie gebaute Brücken & Rohrbrücke:
In den 1970er Jahren wurde der Bau der „Urania Brücke“ geplant. „Die Brücke sollte auch verschiedene Kabelstränge der E-Werke und der Post sowie Rohrleitungen der Fernwärme Wien aufnehmen, die vorläufig in einer provisorischen Rohrbrücke untergebracht waren.11“ Diese Rohrbrücke für die Fernwärmeleitung verband von 1981 bis 2005 den Bezirk Leopoldstadt mit dem Bezirk Landstraße. Aus ungeklärter Ursache (zumindest konnte ich nichts finden) stürzte die Brücke bei Abtragungsarbeiten Anfang 2005 in den Kanal. Darauf angesprochen, dass ich außer einer Pressemitteilung12 nicht viel mehr dazu recherchieren konnte, kommentiert Herr Neuburg mit „man rühmt sich nicht gerne mit Brückeneinstürzen“. Verständlich.
Die damals angedachte Uraniabrücke schaffte es zwar (bis heute!) ins Bundesstraßengesetz, wurde allerdings nie gebaut. Allerdings gab es 2016 eine Diplomarbeit13, die die Planung einer neuen Urania Brücke zum Thema hat.
Es gab um 2010 herum auch einmal die Idee einer Brückenerrichtung bei der Wienflussmündung - ein Verbindungsstück (“Missing Link”-Projekt14), das sich viele Radfahrer:innen und Fußgänger:innen wohl sehr wünschen würden. Allerdings dürften die finanziellen Mittel dafür - da die Wartung einer solchen Konstruktion sehr aufwendig und kostenintensiv ist - einfach nicht da sein (bzw. der Wille dazu).
Hier ein Artikel aus dem Standard dazu:15
Ilse Aichinger Denkmal
Am Ende des Podcasts erwähnt Herr Neuburg noch explizit das Denkmal/Mahnmal an der Schwedenbrücke, das sich zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade in Restaurierung befindet. Er empfiehlt einen Spaziergang dort hin und es auf sich wirken zu lassen.
Foto: Plan des Denkmals der Firma KMB Metallbau.
Foto: Plan des Denkmals der Firma KMB Metallbau.
Buchempfehlungen zur Folge:
Herr Dipl. Ing. Neuburg war so freundlich, mir eine Ausgabe von Dr. Alfred Pausers16 “Brücken in Wien” mitzubringen. Vielen Dank!
Auch Ilse Aichingers17“Die größere Hoffnung” sei hier empfohlen. Die Erzählung behandelt die Themen Flucht und Deportation, an die das Mahnmal der Schwedenbrücke erinnern soll.
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gräf_&_Stift (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.viadonau.org/home (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.ganz-wien.at/gesundheit/umwelt/donaukanalbruecken-die-bruecken-ueber-den-wiener-donaukanal.html (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Jochbrücke (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Rädda_Barnen (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.derstandard.at/story/1017914/der-letzte-wiener-faehrmann-uebersiedelt (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.derstandard.at/story/1408075/holz-schlaegt-beschaulichkeit (Stand 13.5.25) ↩︎
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?apm=0&aid=aze&datum=19261004&seite=3 (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Vertrag_von_Saint-Germain (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Gedenktafel_Zerstörung_Friedensbrücke (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Uraniabrücke_(Wien) (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20050209_OTS0182/stillgelegte-rohrbruecke-bei-demontagearbeiten-in-donaukanal-gestuerzt (Stand 13.5.25) ↩︎
https://repositum.tuwien.ac.at/bitstream/20.500.12708/6755/2/Schadenboeck%20Stefan%20-%202016%20-%20Uraniabruecke.pdf (Stand 13.5.25) ↩︎
https://gaupenraub.net/infobox-hauptbahnhofwien-2 (Stand 13.5.25) ↩︎
https://www.derstandard.at/story/1231152920168/luecken-am-fluss (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Alfred_Pauser (Stand 13.5.25) ↩︎
https://de.wikipedia.org/wiki/Ilse_Aichinger (Stand 13.5.25) ↩︎